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Kinderfuß–Kinderschuh–Dschungel: Hast du auch keinen Durchblick?

  • Autorenbild: Anna Schuh
    Anna Schuh
  • 6. Okt.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Okt.


Barfuß Kinderfüße - Anna Schuh, Entwicklungsbegleitung Graz

Ich geb’s ehrlich zu: Ich bin eine dieser Mamas, die beim Kinderschuhkauf regelmäßig an ihre Grenzen stößt.

Seit meine Tochter laufen kann, beschäftige ich mich mit dem Thema – und trotzdem habe ich oft das Gefühl, es ist ein Dschungel.


Barfußschuhe, Lauflernschuhe, flexible Sohlen, Sprengung, Fußbett, Zehenfreiheit … klingt alles wichtig – aber was davon ist wirklich entscheidend?

Erst nachdem ich in den letzten Tagen zwei Podcast-Folgen über Barfußschuhe gehört habe, ist bei mir einiges klarer geworden.


Und genau das möchte ich hier festhalten – als kleine Zusammenfassung meiner bisherigen Erkenntnisse.

Das ersetzt natürlich keine individuelle Beratung durch eine Physiotherapeutin oder Barfußschuh-Expertin, aber vielleicht hilft es der einen oder anderen Mama, etwas mehr Durchblick zu bekommen.



So wenig Schuh wie möglich


Ich habe irgendwann beschlossen, dass der einfachste Weg oft der natürlichste ist.

Solange es das Wetter erlaubt, läuft meine Tochter barfuß – im Garten, auf der Wiese, am Spielplatz.

Denn kein Schuh kann jemals die natürliche Bewegungsfreiheit eines nackten Fußes ersetzen.


Aber natürlich: Herbst und Winter kommen jedes Jahr.

Dann greifen wir zu Barfußschuhen – gebraucht gekauft, weich, flexibel und mit viel Zehenfreiheit.



Warum der Fuß die Arbeit machen muss


Der Fuß hat eine Aufgabe – und die ist weit mehr, als uns nur zu tragen.

Er gleicht Unebenheiten am Boden aus, balanciert, federt ab und reagiert auf jeden Schritt.

Dafür arbeitet eine ganze Menge Muskulatur – fein abgestimmt und ständig in Bewegung.

Diese Muskulatur kann sich aber nur entwickeln, wenn der Fuß auch wirklich arbeiten darf.


Ein Schuh sollte also nicht für den Fuß arbeiten, sondern ihn dabei unterstützen, seine Arbeit zu tun.

Seine Hauptaufgabe ist, zu schützen – vor Kälte, Nässe, Steinen oder spitzen Gegenständen.

Aber er darf den Fuß dabei nicht einschränken.


Viele Schuhe tun leider genau das: Sie sind zu eng, zu steif oder zu schwer.

Sie nehmen dem Fuß die Bewegungsfreiheit und damit auch die Möglichkeit, seine Muskulatur aktiv zu nutzen.

Das betrifft nicht nur Kinder – die meisten Menschen tragen Schuhe, in denen ihre Füße kaum noch mitarbeiten können.


Wenn die Fußmuskulatur nicht arbeitet, wirkt sich das auf den ganzen Körper aus – bis hin zu Knie, Becken und Rücken.

Der Fuß ist die Basis, auf der alles aufbaut.

Ein unbeweglicher, „passiver“ Fuß kann langfristig zu Fehlhaltungen oder muskulären Problemen führen.


Darum ist es so wichtig, dass Schuhe Bewegung zulassen.

Der Fuß soll sich anpassen, nicht der Schuh.


Ich finde, man muss nicht alles perfekt wissen – aber hinzusehen, wie der eigene Kinderschuh wirklich gebaut ist, verändert schon viel.



Was einen guten Kinderschuh ausmacht


Ein Barfußschuh soll dem Fuß Raum geben – nicht ihn formen.

Zehenfreiheit ist das Wichtigste: Die Zehen brauchen Platz, um sich zu spreizen und abzurollen.

Der breiteste Punkt des Schuhs sollte vorne, bei den Zehen, liegen – nicht beim Ballen.

Ein guter Schuh ist weich, flexibel und leicht.

Kinder sollen kaum merken, dass sie etwas am Fuß haben.

Das Material sollte sich dem Fuß anpassen, nicht umgekehrt, und unter der Ferse darf kein Absatz sein – sogenannte Nullsprengung.

Ein „guter Kinderschuh“ stabilisiert nicht, sondern lässt den Fuß arbeiten.



Kinderfüße richtig messen


Schuhe sind nicht genormt.

Größe 22 kann bei einer Marke ganz anders ausfallen als bei einer anderen.

Darum lohnt es sich immer, selbst nachzumessen, bevor man Schuhe kauft – egal ob neu oder gebraucht.


Am einfachsten geht das so:

Ein Schuhkarton oder ein Blatt Papier auf den Boden legen, das Kind barfuß mit beiden Füßen daraufstellen und an den längsten Zehen sowie der breitesten Stelle mit einer Kuli Miene markieren.

Beide Füße sind wichtig, weil sie unterschiedlich groß sein können.

Dann die Länge zwischen Ferse und längstem Zeh messen.

Auf den Webseiten vieler Hersteller findet man Tabellen, um anhand der Innenlänge die passende Größe herauszufinden.

Wenn man den Fuß komplett umrahmt, kann man die Form ausschneiden und als Schablone verwenden.

So lässt sich sofort prüfen, ob der Schuh passt.


Kinderfüße wachsen schnell – teilweise bis zu zwei Millimeter pro Monat.

Darum sollten die Füße etwa alle acht Wochen nachgemessen werden.

Viele Kinder spüren nicht, wenn der Schuh zu klein ist, weil sich der Fuß an Druck anpasst, anstatt sich zu beschweren.


In der Zehenbox sollte mindestens ein Zentimeter, besser bis zu 1,7 cm Platz vor dem längsten Zeh bleiben.

Nur so können die Zehen abrollen, greifen und sich spreizen.

Der Schuh sollte sich außerdem leicht biegen und rollen lassen – weich, flexibel und ohne Widerstand.



Passform ist mehr als Größe


Die Länge ist nur die halbe Wahrheit.

Neben der Größe zählt die Fußform: breit oder schmal, hoher oder flacher Spann, schmale oder kräftige Ferse.

Ein Modell kann in der Länge passen, aber an den Seiten drücken oder am Spann einschnüren.

Deshalb immer beide Füße prüfen und nach der Form auswählen, nicht nach der Zahl am Etikett.


Ein schneller Check hilft:

Vor dem Zeh genug Platz, seitlich nichts gequetscht, der Schuh biegt sich am Ballen und lässt sich leicht verdrehen.

Die Ferse sollte nicht herausrutschen, aber auch nicht steif fixiert sein.



Alltag, Untergrund und Socken


Kinderfüße brauchen möglichst viele verschiedene Untergründe – Wiese, Erde, Teppich, Waldboden, Kies, Parkett.

Unterschiedliche Reize trainieren Gleichgewicht und Muskulatur.

Beim Laufrad oder Scooter dürfen die Schuhe eine geschlossene Zehenkappe und griffige Sohle haben – Schutz ja, Starrheit nein.


Auch Socken können einschränken: sie sollten nahtarm, weich und nicht einschnürend sein.

Im Winter eignen sich Wollsocken, weil sie wärmen, auch wenn sie feucht werden.

Zehensocken können die Zehenspreizung fördern – aber nur, wenn im Schuh genug Platz bleibt.



Herbst und Winter


Für Herbst und Winter gilt: so dünn wie möglich, so dick wie nötig.

Membran-Schuhe halten zwar Wasser draußen, aber sie verringern die Atmungsaktivität.

Oft ist eine Kombination aus Lederpflege, Imprägnierung und Wollsocken die bessere Lösung.

Wichtig ist, dass die Sohle rutschfest bleibt, ohne starr zu werden.


Wenn ein Kind bisher nur feste Schuhe getragen hat, sollten Barfußphasen und Minimalschuhe langsam gesteigert werden.

Leichtes Ziehen in Fußsohle oder Wade am Anfang ist normal – die Muskulatur arbeitet wieder.



Gebrauchte Barfußschuhe


Barfußschuhe kann man gut gebraucht kaufen.

Da sie kein Fußbett haben, passen sie sich nicht dauerhaft an den vorherigen Fuß an.

Wichtig ist nur, dass die Sohle intakt ist, keine Risse oder harten Druckstellen hat und der Schuh rundum noch weich und flexibel bleibt.

Nach dem Tragen sollten Schuhe gut trocknen, aber nicht auf Heizkörpern, und regelmäßig gepflegt werden, damit das Material geschmeidig bleibt.



Einlagen und wann zur Kontrolle


Bei gesunden Kinderfüßen sind keine Einlagen notwendig.

Der Fuß verändert sich noch und entwickelt sich durch Bewegung und ist erst mit 4 Jahren in seiner Form. Bis zum 8. Geburtstag ist noch Zeit für mögliche Veränderungen

Nur wenn Schmerzen auftreten oder eine Fachperson etwas Auffälliges bemerkt – etwa dauerhaftes Zehenganglaufen, starkes Einknicken oder häufiges Stolpern – sollte das abgeklärt werden.



Kinderfüße brauchen Bewegung, Freiheit und Bodenkontakt.

Ein Schuh darf nur das tun, wofür er gedacht ist: schützen – nicht formen.


Je mehr ich über Kinderfüße lerne, desto mehr verstehe ich, wie genial der Körper eigentlich gebaut ist – und wie wenig er braucht, um gesund zu bleiben.


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